Dies ist der fünfte und letzte Artikel in unserer fünfteiligen Serie zu Richard Rumelts Buch «Good Strategy/Bad Strategy». Als nächstes werden wir Ihnen konkrete Instrumente und Anweisungen für die Entwicklung einer «Guten Strategie» vorstellen – erprobt in der Praxis.
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Kohärentes Handeln ist das dritte und wichtigste Element des «Kernels» einer guten Strategie. Viele Führungsteams, wenn sie sich dann in einen Strategieprozess einlassen, setzen die strategischen Ziele mit der «Strategie» und begnügen sich damit. Das ist ein grosser Fehler, denn der Kern einer guten Strategie muss Massnahmen enthalten. Eine Strategie ohne Massnahmen ist wie ein Messer, das nicht geschliffen wird: Es sieht nach etwas Nützlichem aus, ist es aber nicht.
Viele sehen die Strategie nur als die allgemeine Richtung, losgelöst von spezifischen Aktionen. Die Vorstellung, dass es zur Definition einer Strategie ausreicht, umfangreiche Konzepte zu formulieren, führt zu der häufig beobachteten Kluft zwischen «Strategie» und «Umsetzung». Eine Strategie muss klar aufzeigen, wie Hindernisse überwunden und Opportunitäten genutzt werden. Dies ist nicht möglich ohne ein Handlungselement in der Strategie. Die Strategie muss zwar nicht alle detaillierten Massnahmen enthalten, um ein erklärtes Ziel zu erreichen, aber sie muss ausreichende Anweisungen bieten, damit ein Unternehmen oder eine Organisation ihre Ressourcen gezielt einsetzen kann.
Eine gute Strategie erfordert harte Entscheidungen über das, was getan werden soll
Rumelt führt das Beispiel eines Unternehmens an, das in seinem europäischen Geschäft Skaleneffekte nutzen wollte. Die Hoffnung war, dass die Länderverantwortlichen alles Notwendige tun würden, um diese zu verwirklichen, wenn man ihnen vermittelte, wie wichtig die Schaffung einer gesamteuropäischen Produktlinie sein würde. Das war Wunschdenken. Erst als das Unternehmen die folgenreiche Entscheidung traf, die europäischen Niederlassungen neu zu organisieren, wurde die gesamteuropäische Produktlinie Wirklichkeit. In diesem Beispiel ist die Idee, eine gesamteuropäische Produktlinie zu schaffen, die «Guideline», die Stossrichtung, und die Entscheidung, die europäischen Niederlassungen neu zu organisieren und damit den Länderverantwortlichen die Macht zu entziehen, war das die dazu passende Massnahme.
Es ist somit ein kohärentes Vorgehen erforderlich, damit die Zuteilung der Ressourcen so erfolgt, dass die im ersten Teil des Strategieprozesses identifizierten Herausforderungen bewältigt werden können. Rumelt nennt zwei Quellen der Inkohärenz: widersprüchliche «Guidelines» oder Stossrichtungen und mangelnde Koordination.
Widersprüchliche Stossrichtungen führen zu Widersprüchen in der Umsetzung
Ein Beispiel für widersprüchliche Umsetzungsmassnahmen findet sich in der Strategie der Ford Motor Company aus den frühen 2000er Jahren. Ausgehend von der Idee, dass «die Marke der Schlüssel zum Gewinn in der Automobilindustrie ist», erwarb Jacques Nasser Volvo, Jaguar, Land Rover und Aston Martin. Die Leitlinie der Strategie war der Erwerb von ikonischen Marken. So weit, so gut. Gleichzeitig verfolgte Ford jedoch eine Strategie der «Skaleneffekte», die auf der Idee beruht, dass «man in der Automobilindustrie nicht wettbewerbsfähig sein kann, wenn man nicht mindestens 1 Million Einheiten pro Jahr auf der gleichen Plattform produziert». Das Ergebnis war, dass Ford sich für die Aktion entschied, Volvo und Jaguar auf die gleiche Plattform zu stellen, mit dem Ergebnis, dass beide Marken verwässert wurden. Der Aufbau eines Markenportfolios bei gleichzeitigem Streben nach Skaleneffekten zwischen den Marken führte zu Konflikten in der Umsetzung und musste zwangsläufig scheitern.
Strategische Massnahmen müssen koordiniert werden
Rumelt stellt ein Beispiel für ein Unternehmen vor, das in seiner Strategie Folgendes vorsah: «Schliessen des Werkes an Standort A und eröffnen eines neuen Werkes an Standort B», «erhöhen der Ausgaben für Werbung» und «initiieren eines 360°-Feedback-Programms». All diese Vorhaben mögen per se vielversprechende Projekte sein, aber sie ergänzen einander nicht und stellen daher keine koordinierten Massnahmen zur Bewältigung einer spezifischen Herausforderung dar.
Schlussfolgerung – “The sharf end of the Strategy”
Koordiniertes Handeln kann allein schon eine sprudelnde Quelle von Wettbewerbsvorteilen sein. Aber Koordination sorgt dafür, dass Richtlinien und Handlungsanweisungen das System erfolgreich machen. Dies bedeutet nicht, dass die Koordination ein strikter Top-down-Prozess sein muss. Aber es ist weder eine gute Strategie noch eine gute Führung, wenn Ziele nur auf hoher Ebene formuliert werden, ohne einen Prozess zu gestalten, der zu koordiniertem Handeln führt.
Das wirksamste Mittel zur Koordinierung von Massnahmen ist die Formulierung von Nahzielen in Form von vierteljährlichen Zielen und Schlüsselergebnissen (OKRs). Damit ein naheliegendes Ziel nützlich ist, müssen sie jedoch klar und als durchführbar wahrgenommen werden. Wenn z.B. ein mit einer Einzelperson oder einem Team vereinbartes Quartalsziel als unklar oder nicht realisierbar angesehen wird, wird es kaum zur Problemlösung beitragen.
Deshalb bestehen wir bei der Unterstützung von Kunden im Strategieprozess darauf, dass vierteljährliche Ziele und Schlüsselergebnisse formuliert werden. Mit anderen Worten: Der Strategieprozess ist erst abgeschlossen, wenn die Ziele und die wichtigsten Ergebnisse definiert sind. Da die vierteljährlichen Ziele und Schlüsselergebnisse für die Wirksamkeit einer Strategie so wichtig sind, bezeichnen wir sie als «das scharfe Ende der Strategie».
Die Autoren: Andreas Wettstein / Ignaz Furger
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Referenz Rumelt
«Gute Strategie / Schlechte Strategie», New York 2017
Englische Version / English Version
Eine gute Strategie lässt sich gemäss R. Rumelt daran erkennen, dass sie mindestens drei Elemente enthält: 1) Diagnose, 2) „Guiding Policy“ und 3) kohärentes Handeln. Er nennt das den KERNEL einer guten Strategie. Hingegen sind allein Zielsetzungen oder allgemeine Stossrichtungen noch lange keine Strategie. Ebenso wenig ist etwas strategisch, nur weil es auf C-Level entschieden worden ist.
Kaum ein Thema wird mit so vielen unterschiedlichen Vorstellungen und Ansätzen angegangen wie eine Strategie. Während es für die die Bereiche Steuern, Rechnungswesen und Recht allgemein anerkannte Richtlinien, Standards und Vorschriften gibt, die meist auch offiziell abgesegnet sind, gibt es für die Strategie nichts Vergleichbares. Auf der Basis des Buches von Rumelt möchten wir einen Versuch starten, das Thema Strategie einzugrenzen und zu definieren.
Rumelt bezeichnet die drei notwendigen und hinreichenden Elemente einer Strategie als Kernel. Eine gute Strategie kann aus mehr als nur dem Kernel bestehen, aber wenn der Kernel fehlt oder fehlerhaft ist, dann ist das ganze strategische Konstrukt auf einem schwachen Fundament aufgebaut.
Der Kernel einer guten Strategie besteht aus drei Elementen:
(1) der Diagnose, die die strategischen Herausforderungen definiert oder erklärt,
(2) den Leitlinien, um den Herausforderungen zu begegnen und
(3) eine Reihe von kohärenten Massnahmen zur Umsetzung der Leitlinien.
Die Kenntnis der minimal notwendigen Komponenten einer Strategie macht es leichter zu erkennen, wenn eine Strategie grundsätzlich unvollständig ist. Hier einige Beispiele
Ein Ziel allein ist keine Strategie.
Nehmen Sie zum Beispiel diese bekannten Zwei-Zahl-Ziele, die Top-Führungskräfte gerne kommunizieren, wenn sie über ihre Strategie sprechen:
20/20 oder 10/10 für 20% Marktanteil und 20% EBIT oder 10% Wachstum und 10% Gewinn. Solche Ziele sind zwar leicht und plakativ zu kommunizieren, stellen aber keine Strategie dar. Hier fehlt schlicht das Fundament.
Nicht alles, was auf C-Level entschieden wir, ist strategisch.
Mit dem Beiwort “strategisch” wird versucht, jeglichen Entscheidungen auf Top-Level ein extra Gewicht zu geben. Aber eine Strategie besteht aus mehr als nur aus dem, was die bestbezahlten Leute im Unternehmen entscheiden.
Eine grobe strategische Stossrichtung, sei es für ein Geschäftsfeld oder das Gesamtunternehmen ist noch keine Strategie.
Die Vorgabe der Richtung ist zwar wichtig, aber sie reicht nicht aus, wenn es an konkreten Massnahmen und Projekten fehlt, die die Aktivitäten und Ressourcen in die gewählte Richtung lenken
Ein Bündel von Stärken und Chancen mit vagen Zielen ist noch keine Strategie.
Ohne Leitlinien und Stossrichtungen, wie man das Beste aus den von Stärken und Chancen machen kann, ist kein kohärentes Handeln möglich
Dies ist ein erster Schritt, um festzustellen, ob ein Unternehmen eine Strategie oder, was meist noch schlimmer ist, eine «schlechte Strategie» hat.
Im nächsten Artikel gehen wir näher auf das Thema «Bad Strategy» eingehen, um dann in den folgenden Beiträgen den Aufbau einer guten Strategie Schritt für Schritt zu beschreiben.
von Andreas Wettstein und Ignaz Furger
Englische Version / English Version
* Ideen und Konzepte aus dem Buch Good Strategy – Bad Strategy von R. Rumelt, New York 2017
Die Strategieentwicklung ist Teil des strategischen Planungsprozesses. Dieser umfasst neben der Strategieentwicklung die strategische Planung, das strategische Controlling und das Ausarbeiten von strategischen Fragestellungen. Damit wird Strategie zur Daueraufgabe – und nicht zu etwas, das man einmal macht, um dann wieder ins Tagesgeschäft zurückzukehren.
Ein Strategieentwicklungsprojekt wird in der Regel in vier Phasen eingeteilt:
Diese Unterteilung hat sich praktisch als allgemeingültiges Vorgehen etabliert. Dabei wird jedoch fast durchwegs ein wichtiger Teil ausgeblendet und übergangen: der Übergang von einer Phase in die nächste. In diesen Transitionsphasen werden die Entscheide gefällt und die Weichen für die folgende Phase gestellt. Sie verlangen nicht nur inhaltlich Beachtung, sie beanspruchen auch Zeit. Darum legen wir zwischen die einzelnen Phasen jeweils einen Zwischenschritt und reservieren dafür die notwendige Zeitspanne, um die vorhergehende Phase abzuschliessen und die Entscheidungsvorlagen für den Lenkungsausschuss (LA) zu erstellen. Der LA wird diese begutachten, über die Anträge entscheiden und die Freigabe für die nächste Phase beschliessen.
Einen weiteren Schritt widmen wir gleich zu Beginn der Vorbereitung des Projekts mit dem Ziel, dieses organisatorisch aufzusetzen und die Leitlinien für die Strategieentwicklung vorzugeben. Diese Vorbereitung kann die Eignerstrategie beinhalten, grobe strategische Ziele, das Leitbild oder aber ganz einfach eine Liste mit Vorgaben, die vom Auftraggeber vorgegeben werden.
Das hier beschriebene Vorgehen ist als idealtypischer Prozess gedacht. Dazu gibt es Varianten, und je nach Anforderungen eines Falls ist es angebracht, den einen oder anderen Schritt zu verkürzen oder ganz wegzulassen. Am Schluss des Kapitels beschreiben wir einige Vorgehensvarianten, die wir anhand von Vorgehensdiagrammen veranschaulichen.
Die 4 Phasen sowie die Vorbereitung des Projekts und die Zwischenstufen, insgesamt 8 Schritte, werden in den folgenden Kapiteln detailliert dargestellt – mit Vorgehen, Instrumenten sowie Ausführungen zu den Beteiligten und den angestrebten Ergebnissen.
Die Entwicklung einer Unternehmensstrategie findet in der Regel nicht auf der grünen Wiese, sondern in einem gegebenen Rahmen statt, der berücksichtigt werden muss. Wir lassen diese Vorgaben meist in Form von Leitlinien zusammenfassen und geben diese als Anleitung an das Projektteam weiter. Diese Leitlinien können stringent festgelegt oder aber mindestens zum Teil auch als grobe Richtlinien oder Stossrichtungen verstanden werden.
Die Leitlinien lassen sich ableiten aus den Elementen Eignerstrategie oder Shareholder-Strategie, aus dem Leitbild des Unternehmens sowie aus aktuellen Situationen, die die Strategiearbeit beeinflussen. Dies kann z. B. eine offensichtliche Kosten- oder Produktionsproblematik sein, ohne deren Lösung das Unternehmen strategisch nicht mehr wettbewerbsfähig ist.
Die Analyse beginnt mit der Darstellung der bisherigen Entwicklung auf der Ebene des Gesamtunternehmens. Anschliessend folgen die systematischen Analysen von Umfeld, Unternehmen und Konkurrenz. Für diese Analysen empfiehlt es sich, vorab eine strategische Segmentierung durchzuführen, da viele strategische Grössen auf der Ebene der Geschäftsfelder darzustellen sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Analysen teilweise überschneiden. Für jeden dieser Analyseschritte sind Instrumente einzusetzen, die wir in den entsprechenden Kapiteln einzeln vorstellen und beschreiben.
Die Darstellung der bisherigen Entwicklung des Unternehmens umfasst in der Regel zeitlich die letzten drei bis fünf Jahre und inhaltlich die Entwicklung der strategischen und finanziellen Kennzahlen über diese Zeit:
Strategische Kennzahlen | Finanzielle Kennzahlen |
Marktgrösse | G & V |
Marktposition / Marktanteil | Cashflow |
Kostenposition | Umsatz |
Kundenstruktur | Auftragseingang |
Produktstruktur | ROI / ROE |
Kundennutzen | ROCE |
Mitarbeiter-Qualifikation | Bilanz |
Innovationsfähigkeit | Mittelflussrechnung |
Marktkapitalisierung |
Soweit möglich werden diese Kennzahlen den bestehenden Geschäftseinheiten zugeordnet, so dass sich daraus ein Geschäftsfeldportfolio erstellen lässt.
Die Ergebnisse werden mit den strategischen Gesetzmässigkeiten verglichen, um daraus die SWOT und die strategischen Hauptherausforderungen abzuleiten. Diese stellen die Ausgangslage dar und werden danach dem LA vorgelegt. Das Ziel ist der
«Konsens aller Beteiligten über die Beurteilung der Ausgangslage».
Dies ist der erste wichtige Zwischenschritt. Die meisten Strategiebücher ignorieren diesen allerdings und springen von der Ausgangslage direkt zur Strategieentwicklung. Dabei ist es unerlässlich, eine gewisse Zeit dafür einzuräumen, die Ergebnisse aufzubereiten, zu diskutieren und die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Daraus wird eine Entscheidungsvorlage erstellt und dem LA vorgelegt. Dieser muss sich mit den Ergebnissen auseinandersetzen, einen Konsens finden und die Entscheide treffen.
Diesem Schritt widmen wir einen eigenen Workshop. Er beinhaltet weiter die Zusammenfassung der Ergebnisse, die Diskussion im LA sowie die Kommunikation der Beschlüsse und Vorgaben.
Die Entwicklung der Strategie startet mit dem Ausarbeiten von strategischen Optionen je Geschäftsfeld. Grundsätzlich mögliche Geschäftsaktivitäten werden in einem kreativen Prozess als Strategieoptionen erarbeitet und zusammengestellt. Diese Optionen werden bewertet und zu strategischen Stossrichtungen gebündelt.
Auf dieser Grundlage werden die Grundstrategien ausformuliert, konsolidiert und daraus Anforderungen an die Funktionen erstellt. Aus den Anforderungen erfolgt die Ableitung der strategischen Massnahmen. Hieraus ergeben sich die Vorgaben für die Funktionalkonzepte einerseits sowie die Grundlagen für die strategischen Projekte und die Businesspläne anderseits. Eine erste grobe Ressourcenplanung bildet den Abschluss dieser Phase.
Ziel des abschliessenden Workshops ist es, die Hauptstossrichtungen der Strategie in einer strategischen Roadmap zusammenzufassen und dem Lenkungsausschuss vorzulegen, damit dieser die konkrete Ausformulierung der Businesspläne je Geschäftsfeld freigeben kann
Dieser Schritt beinhaltet wieder einen Übergang von einer Phase in die nächste. Nachdem die Geschäftsfeldstrategien in groben Zügen bestimmt wurden, geht es nun darum, diese detailliert in Businesspläne umzuarbeiten. Auftraggeber und der LA müssen sich jedoch erneut mit den Ergebnissen auseinandersetzen, um die richtigen Entscheide zu treffen, und den nächsten Schritt freigeben. Es kann sein, dass gewisse Strategien zurückgestellt, dass die Prioritäten anders gesetzt werden.
Zusätzlich wird in diesem Schritt die Unternehmensstrategie als Ganzes formuliert und verabschiedet. Diese umschreibt die Stossrichtung für das Gesamtunternehmen und bildet auch das Leitbild ab. Um diesen Schritt abzuschliessen, muss die Strategie mit dem ursprünglich vorgegebenen Leitbild abgeglichen werden. Dies bedeutet, dass das Leitbild allenfalls zu überarbeiten oder zu ergänzen ist. Erst wenn dieser Abgleich und eventuelle Anpassungen klar und von allen verabschiedet sind, wird die Strategie weiter ausgearbeitet und in die Umsetzung gegeben.
Das Ergebnis dieses Schrittes sind somit die Verabschiedung der Grundstrategien und der strategischen Ressourcen sowie die Freigabe für die Ausformulierung der strategischen Projekte und der Businesspläne.
Dieser Schritt wird meist gewaltig unterschätzt. Der Grossteil der Strategiearbeiten hört an dieser Stelle einfach auf. Und da die Strategien vorwiegend noch von oben vorgegeben werden, beginnen hier mühselige Massnahmen zur Umsetzung – meist mit Change-Management-Ansätzen. Diese Vorgehensweise ist sehr oft zum Scheitern verurteilt, und es wundert nicht, dass 70% der Strategien am Schluss nicht oder, was letztlich auf dasselbe herauskommt, nur bruchstückartig umgesetzt werden.
Entscheidend im Hinblick auf die Umsetzung ist, dass die Ausarbeitung der Businesspläne und die Umsetzungsplanung von den gleichen Mitarbeitern gemacht werden, die bisher die Strategie erarbeitet haben. Damit werden das Commitment gestärkt und die Chancen für den Umsetzungserfolg erhöht.
Bis zu diesem Schritt liegen die Strategien auf dem Papier beziehungsweise in den Tiefen der EDV vor. Durch den Einbezug der Mitarbeiter im Prozess ist die Strategie auch in den Köpfen und Gedanken dieser Mitarbeiter verankert und das ist wichtiger als alle Schaubilder, Grafiken und Präsentationen, die vielfach noch von externen Beratern erstellt worden sind.
Auf dieser Basis kann jetzt die Umsetzung eingeleitet werden. Der Lenkungsausschuss verabschiedet die Businesspläne. Die Massnahmen und die Ressourcen werden freigegeben und in die Mittelfristplanung aufgenommen.
Getreu nach dem Motto «Structure follows strategy» taucht hier die Frage nach der Organisation auf. Wir werden allerdings nicht detailliert auf das Thema Organisation eingehen, da dies den Rahmen des Buches sprengen würde
Für die Umsetzung arbeiten wir mit dem Konzept des strategischen Controllings, das in den strategischen Planungsprozess eingebunden wird.
Idealerweise ist das strategische Controlling organisatorisch bei der strategischen Planung oder der Unternehmensentwicklung angegliedert und berichtet direkt an die Geschäftsführung.
Eine umfassende Strategieentwicklung für ein Unternehmen ist in der Regel alle 5 – 6 Jahre angesagt. Eine Neuformulierung der Strategie kann sich aber auch aus anderen Gründen aufdrängen, z. B. wenn ein Unternehmen den Inhaber wechselt.
Wir versuchen die Erarbeitung einer Unternehmensstrategie zeitlich so zu planen, dass das Ergebnis im jährlichen Strategie-Review-Meeting vorgelegt werden kann und die verabschiedeten Resultate in die nächste Budgetierungsphase einfliessen.
Der Strategieentwicklungsprozess kann auch auf strategische Fragestellungen angewendet werden, die nicht die gesamte Unternehmensstrategie betreffen, z. B. für die Ausarbeitung einer Landesstrategie, die Einführung eines neuen Produktes oder den Relaunch einer Produktreihe. Wir nennen diese Fragestellungen «Strategische Initiativen». Ein Unternehmen arbeitet meistens zeitgleich an mehreren solchen Initiativen. Im Idealfall wird aber versucht, diese in einem zeitlich getakteten Ablauf zur Entscheidung zu bringen. Die Entscheidungsvorlagen werden einmal oder maximal zweimal pro Jahr vorgelegt. Im Rahmen der Strategischen Planung findet ein- oder zweimal pro Jahr ein strategisches Review-Meeting statt. Nach Verabschiedung der Vorlage kann das Ergebnis dieser strategischen Initiativen in die Mittelfristplanung eingebunden werden.
Wir beschreiben in diesem Leitfaden den idealtypischen Strategieentwicklungsprozess mit den einzelnen Schritten.
Es ist jedoch nicht immer möglich und angebracht, den ganzen Prozess im Einzelnen durchzugehen. In einer schnelllebigen Zeit ist auch hier Schnelligkeit verlangt. Deshalb stellen wir in knapper Form fünf weitere Vorgehensweisen vor, die je nach Situation und Sachlage angewendet werden können. Wir sind sicher, dass Sie für sich daraus eine sechste Variante erstellen, und das ist auch gut so.
Welches der Vorgehensmodelle auch angewendet wird, entscheidend ist stets, dass das Grundprinzip beibehalten wird, dass die Grundlogik stimmt und die Strategie am Schluss die Hauptherausforderungen abdeckt. Dazu sichern wir uns mit Hilfe der SWOT-GAP-Analyse ab, die immer als Strategiecheck einzusetzen ist.
Das grosse Modell deckt den Strategieprozess in seiner ganzen Länge und Tiefe ab. Dieses Modell wird auch die Grundlage für die detaillierte Beschreibung des Strategieprozesses bilden. Sie finden hier den Prozess mit all seinen Elementen grafisch dargestellt. Das Wesentliche daran ist, dass die LA-Sitzungen separat von den WS-Sitzungen durchgeführt werden.
Eine vereinfachte Vorgehensweise erhalten wir dadurch, dass wir die LA-Sitzungen und die Workshops zusammenlegen. Damit sparen wir einen Tag ein, und die Übergabe für die nächste Phase kann direkt vom LA an das Team erfolgen. Der Nachteil dabei ist, dass die LA-Unterlagen, das heisst die Ergebnisse und die Entscheidungsunterlagen, entweder in Arbeitssitzungen erstellt werden müssen oder aber vom Projektleiter zusammengestellt werden. Für die Abstimmung mit dem Team wird der Spielraum eng. Dies kann dadurch gelöst werden, dass die einzelnen Arbeitsgruppen einen Teamsprecher bestimmen, der sie bei der Zusammenstellung der Entscheidungsunterlagen vertritt.
Die Kurzstrategie wird mit zwei Workshops durchgeführt. Das Team ist entsprechend anzupassen, d. h. es werden weniger Teilnehmer dabei sein, und man wird von Anfang an die Geschäftsfelder auf die Gruppen verteilen. Die Vorarbeit, die Aufbereitung der Daten und die Analysen haben entweder vorher zu erfolgen oder liegen zum grossen Teil schon vor. Man startet unmittelbar mit der SWOT und der Ausarbeitung der ersten strategischen Optionen. Im zweiten Workshop werden die Strategien pro Geschäftsfeld formuliert und danach dem LA oder der GF zum Entscheid vorgelegt. Die Umsetzung wird von der GF direkt an die Linie gegeben.
Der Top-Management-Strategie-Workshop ist die kürzeste und effizienteste Form einer Strategieerarbeitung. Es ist jedoch zu bedenken, dass hier die Entscheide sehr kurzfristig und vor allem von oben herab getroffen werden. Trotzdem ist es manchmal angebracht oder sogar notwendig, dass sehr schnell entschieden wird, und wenn das Top-Management dadurch Führungsstärke zeigt, wird dies von der Belegschaft auch akzeptiert. Dieses Vorgehen soll aber nicht der Normalfall sein und entweder in Krisensituationen, in denen schnelle Entscheide notwendig sind, oder dann auf Basis einer laufenden Strategie, wo es um eine strategische Weichenstellung geht, angewendet werden. Für den Top-Management-Workshop ist eine intensive Vorbereitung unabdingbar, und es ist angebracht, betroffene Mitarbeiter möglichst mit einzubeziehen und die Vorbereitung nicht nur von externen Beratern durchführen zu lassen.
Für den Workshop liegen die SWOT und die Hauptherausforderungen vor, sodass das Top-Management wirklich auf Basis von starken Fakten entscheiden kann. Die Strategie wird in den Grundzügen skizziert und geht zur Ausarbeitung in die Linie bzw. an die Leiter der Geschäftsbereiche, die auch als Teilnehmer am Workshop dabei sein können.
Die strategische Initiative ist ein Element der strategischen Planung und bearbeitet jeweils eine strategische Fragestellung. Der Inhalt kann eine Länderstrategie sein, ein neues Geschäftsfeld, die Überarbeitung einer Teilstrategie oder die Einführung einer neuen Produktlinie. Während im Top-Management-Workshop die Geschäftsführung sich mit der Strategie befasst, kann eine strategische Initiative vom Bereichsleiter mit seinen Mitarbeitern erarbeitet werden. Das Vorgehen ähnelt einer kleinen Strategie und folgt der gleichen Logik wie die Erarbeitung einer Gesamtstrategie.
Wir haben mehrmals nach der Erarbeitung einer Unternehmensstrategie Initiativen dieser Art durchgeführt. Dabei wurden Themen bearbeitet, die bei der Gesamtstrategie zurückgestellt worden oder aber erst später aufgetaucht waren. Mit diesem Instrument lassen sich strategische Fragestellungen geordnet innerhalb der strategischen Planung bearbeiten und in die Planung integrieren.