Good Strategy- Bad Strategy IV

Teil IV

Element 2 – die «Guiding Policy» oder die strategischen Stossrichtungen

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Das zweite Element einer guten Strategie ist die „Guiding Policy“. Diese gibt die Richtung zur Bewältigung der Herausforderungen vor, welche in der Diagnose identifiziert wurden. Die «Guiding Policy» ist «richtungsweisend», weil sie die Aktionen und Massnahmen in bestimmte Richtungen lenkt, ohne zu definieren, was genau zu tun ist. Wie Leitplanken auf einer Autobahn lenkt und begrenzt die Policy das Handeln, ohne den genauen Inhalt festzulegen.

Die «Guiding Policy» gibt vor, wie die Situation bewältigt werden kann; vor allem aber auch indem Handlungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Sie ist nicht zu verwechseln mit einer Vision oder dem Bild eines wünschenswerten Endzustandes. Eine «Vision» vermittelt eine Ambition, aber sie ist keine Strategie oder Leitlinie, weil es keine Informationen darüber gibt, wie diese Ambition erreicht werden soll.

Vielfach aber wird der Begriff «Strategie» für das verwendet, was Rumelt als «Guiding Policy» bezeichnet. Er meint dazu, dass es ein Fehler ist, eine Strategie nur als eine allgemeine Stossrichtung zu definieren. Ohne eine Diagnose kann man diese nicht bewerten; und ohne zumindest die erste Aktionsrunde durchzuarbeiten, kann man nicht sicher sein, dass die Leitlinie umgesetzt werden kann. Eine gute Strategie ist nicht nur das «Was», sondern auch das «Warum» und «Wie», das man versucht zu tun.

Bei der Erarbeitung von Wettbewerbsstrategien ist es vielfach üblich, sofort mit detaillierten Beschreibungen bestimmter Quellen von Wettbewerbsvorteilen zu beginnen. Niedrigere Kosten, eine bessere Marke, ein schnellerer Produktentwicklungszyklus, mehr Erfahrung, mehr Informationen über Kunden können Quellen von Vorteilen sein. Das ist zwar alles ok, aber es ist besser, am Anfang eine breitere Perspektive einzunehmen. Eine gute «Guiding Policy» kann selbst einen Wettbewerbsvorteil ausmachen.

Eine gut «Guiding Policy» schafft Vorteile, indem sie die Aktionen und Reaktionen der anderen vorwegnimmt, die Komplexität und Unklarheit der Ausgangslage reduziert und die Hebelwirkung nutzt, die mit dem Fokus  der Anstrengungen auf einen zentralen oder entscheidenden Aspekt geschaffen wird. Damit schafft sie die Voraussetzung für kohärente Aktionen, die aufeinander aufbauen, anstatt sich gegenseitig aufzuheben.

Beispiel

Zur Veranschaulichung führt Rumelt folgendes praktische Beispiel an:

Stephanie besitz ein Lebensmittelgeschäft an der Ecke. Sie macht die Buchhaltung, verwaltet das Personal, führt manchmal die Kasse und trifft alle Entscheidungen. Trotzdem läuft das Geschäft immer weniger gut. Sie überlegt sich, ob sie die Preise niedrig halten oder teurere, frische Bioprodukte anbieten sollte. Sollte sie anfangen, mehr asiatische Grundnahrungsmittel für die vielen asiatischen Studenten, die in der Gegend lebten, zu lagern? Sollte der Laden länger geöffnet sein? Sollte sie in der lokalen College-Zeitung inserieren? Soll sie die Decke grün oder weiß streichen? Sollte sie jede Woche einige Artikel zum Verkauf anbieten? Welche?

Ein Berater würde ihr sagen, dass sie Massnahmen ergreifen sollte, die den Gewinn maximieren – ein technisch korrekter, aber nutzloser Ratschlag. In der Theorie ist es einfach: In der realen Welt ist «Gewinnmaximierung» jedoch kein hilfreiches Rezept, denn die Herausforderung, Gewinn zu erzielen oder zu maximieren, ist ein schlecht strukturiertes Problem. Denn es gibt es Hunderte oder Tausende von möglichen Anpassungen, die man vornehmen kann – die Komplexität der Situation kann überwältigend sein.

Bei der Diagnose erkannte Stephanie, dass ihre Herausforderung darin besteht, mit dem örtlichen Supermarkt zu konkurrieren. Sie musste die Kunden aus einem Geschäft abwerben, das rund um die Uhr geöffnet war und niedrigere Preise hatte. Auf der Ebenso stellte sie fest, dass die meisten ihrer Kunden Studenten oder Fachlteute waren, die fast täglich am Laden vorbeikamen, weil sie in der Nähe wohnten oder arbeiteten…Sie kam zum Schluss, dass sie die Wahl hatte, preisbewusste Studenten oder die zeitbewussteren Fachleute zu bedienenDas Problem in Form einer Auswahl unter einigen wenigen Kundengruppen zu formulieren, führte zu einer dramatischen Verringerung der Komplexität der Fragestellung.

So beschloss Stephanie, «den vielbeschäftigten Profi, der wenig Zeit zum Kochen hat«, ins Visier zu nehmen. Dies war ihre «Guiding Policy». Diese Policy oder Stossrichtung, wie wir es auch nennen, half ihr dabei, koordinierte und konzentrierte Aktionen zu schaffen und ihre Bemühungen zu konzentrieren.Wenn man die Bedürfnisse der vielbeschäftigten Berufstätigen mit wenig Zeit zum Kochen bedenkt, konnte sie sehen, dass der zweite Kassenstand helfen würde, den Ansturm um 17 Uhr zu bewältigen. Ebenso wie mehr Parkplätze in der Gasse. Außerdem meinte sie, dass sie den Raum, der derzeit für den Verkauf von Knabbereien an Studenten genutzt wird, nutzen und stattdessen zubereitete hochwertige Lebensmittel zum Mitnehmen anbieten könnte. Fachleute würden im Gegensatz zu Studenten nicht um Mitternacht zum Einkaufen kommen, so dass es nicht nötig war, sehr spät zu arbeiten. Die vielbeschäftigten Fachkräfte würden eine angemessene Personalausstattung nach der Arbeit und vielleicht in der Mittagspause zu schätzen wissen.

Wie macht man das konkret?

Rumelt gibt keine konkrete Antwort, wie man eine «Guiding Policy» in der Praxis erarbetet. Es gibt eine Menge von Vorgehensweisen, vom simplen Brainstorming bis zu modernen Methoden wie World Cafe oder Open Innovation.

Ausgezeichnet bewährt hat sich für uns eine Methode, die aus dem Fundus von Stafford Beer stammt und sich «Marktplatz» nennt. Ideen werden nicht nur gesammelt, sondern konkret aufgeschrieben, diskutiert und bewertet. Das Ergebnis sind Optionen, die nicht nur auf dem Papier stehen, sondern gleich in den Köpfen der Mitarbeiter verankert werden. Mit der sogenannten «Adjacency» könnten diese Optionen sortiert und für die weitere Bearbeitung ausgewählt werden. Das Ergebnis ist eine Roadmap mit Stossrichtungen, welche im Rumeltschen Sinne die Guiding Policy darstellen.

In unseren beiden Whitepapers Marktplatz und Adjacencies beschreiben wir ein konkretes Vorgehen, welches wir mit unseren Kunden anwenden und aus denen dann die Massnahmen für die Umsetzung abgeleitet werden.

Wir stellen dazu auch die notwendigen Tools und Formulare zu Verfügung. Selbstredend haben wird diesen Prozess auch in unserer STRATEGY.APP® eingebaut.

Und was dann?

Mit welchen Methoden und Tools wir auf dieser Basis die Umsetzung der Strategie einleiten, zeigen wir Ihnen im nächsten Artikel.

von Andreas Wettstein und Ignaz Furger

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Frühere Artikel:

Good Strategy / Bad Strategy Teil I

Good Strategy / Bad Strategy Teil II

Good Strategy / Bad Strategy Teil III


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